Sechs Tage nach den verheerenden Überschwemmungen in der ostspanischen Region Valencia läuft die Suche nach Opfern weiter auf Hochtouren. Bis Montagmittag wurden mindestens 217 Todesopfer bestätigt. Viele Menschen werden noch vermisst, offizielle Zahlen gibt es nicht.
Im Fokus der Einsatzkräfte stehen derzeit mehrere Parkhäuser im Katastrophengebiet, die am vergangenen Dienstag innerhalb kürzester Zeit komplett mit Wasser vollgelaufen waren, darunter die Tiefgarage Bonaire in Aldaia, einer Stadt mit 31.000 Einwohnern vor den Toren Valencias.
Bürgermeister befürchtet “Schreckliches”
Seit Tagen pumpen Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute das Wasser aus den zwei unterirdischen Etagen des riesigen Areals, in dem bis zu 5.700 Fahrzeuge Platz finden. “Wir wissen nicht, was wir finden werden”, sagte Aldaias Bürgermeister Guillermo Luján im staatlichen Fernsehen. Er befürchte aber “Schreckliches”.
Mit Drohnen, Tauchern und Booten wurde bereits am Sonntag in den Schlamm- und Wassermassen nach Todesopfern gesucht. Am Montagmorgen konnten Soldaten der auf Katastrophen spezialisierten Notfalleinheit des Militärs (UME) erstmals zu Fuß das Parkhaus besichtigen. Leichen wurden bisher nicht gefunden.
Im Kurznachrichtendienst X waren zuvor Falschmeldungen verbreitet worden, wonach in der Tiefgarage bis zu 600 Leichen begraben seien. Fotos von weinenden Feuerwehrleuten vor der überfluteten Garage wurden verbreitet. Dazu Audios, in denen die spanische Regierung beschuldigt wird, Hunderte von Toten vertuschen zu wollen.
Garagen wurden zur Todesfalle
Sorge bereitet auch ein weiteres vollgelaufenes Parkhaus in der ebenfalls stark getroffenen Stadt Alfafar. Hinzu kommen Dutzende überflutete private Garagen, Erdgeschoße und Keller in den betroffenen Gebieten, die ebenfalls noch nicht zugänglich sind. Laut Verkehrsminister Oscar Puente sei davon auszugehen, “dass sich dort noch Tote befinden”.
In vielen Städten wurden die Menschen am vergangenen Dienstag von den schnell ansteigenden Wassermassen überrascht, als sie versuchten, ihre Autos aus den Garagen zu holen. Autos, die auf der Straße mitgerissen wurden, versperrten vielen Menschen den Weg aus ihren Häusern. Auf gefluteten Autobahnen, auf denen viele Menschen nach den starken Regenfällen stecken geblieben waren, kamen ebenfalls viele Menschen zu Tode.
Die hohe Zahl der Todesopfer wird von vielen unter anderem auf die späte Reaktion der Politik zurückgeführt. Die Regionalregierung von Valencia habe die Warnungen des nationalen Wetterdienstes Aemet zu spät an die Bevölkerung weitergegeben, so der Vorwurf.
“Solo el pueblo salva al pueblo”
Auch in den Tagen nach dem verheerenden Hochwasser ließ die staatliche Hilfe in vielen zerstörten Orten auf sich warten. Der Parteienstreit zwischen Regional- und Zentralregierung in Madrid verzögerte die Aufräumarbeiten – und sorgte für enormen Frust in der Bevölkerung.
“Solo el pueblo salva al pueblo” (dt. “Nur das Volk rettet das Volk“) wurde zum wütenden Selbsthilfe-Slogan, als sich in den vergangenen Tagen Tausende Helfer auf den Weg in die zerstörten Gebiete Valencias machten. Da zahlreiche Ortschaften am Wochenende noch immer vom Straßennetz abgeschnitten waren, kamen viele Freiwillige – ausgestattet mit Spenden und Arbeitsgeräten wie Besen – zu Fuß von der Stadt Valencia.
Als am Sonntag König Felipe VI. und Königin Letizia, Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez und Carlos Mazón, Präsident der Autonomen Region Valencia, die komplett zerstörte Ortschaft Paiporta besuchten, wurde die Gruppe von aufgebrachten Anwohnern mit Schlamm beworfen und als “Mörder” beschimpft. Das Auto von Ministerpräsident Sánchez wurde zertrümmert, Sánchez selbst wurde mit einem Stock geschlagen.
Proteste in Valencia und Madrid
In der Großstadt Valencia haben am Sonntagabend Hunderte Menschen mit einer Cacerolada, bei der aus Protest auf Kochtöpfe geschlagen wird, ihren Frust über den Umgang der Politik mit der Hochwasserkatastrophe zum Ausdruck gebracht. In der Hauptstadt Madrid forderten 200 Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Sánchez.
Der spanische Wetterdienst warnte indes vor neuen starken Regenfällen im Hochwassergebiet. In Teilen der Region Valencia galt am Sonntagabend erneut Alarmstufe Rot. Am Montag wurde die Warnstufe auf Orange herabgesetzt.
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