Bauen, Mieten, Wohnen: So will Klara Geywitz die Krise beenden



Frau Geywitz, es werden dringend mehr Wohnungen gebraucht, aber immer weniger gebaut – die Zahl der Genehmigungen sinkt seit zwei Jahren. Wie lange wird das so weitergehen?

Die deutsche Bauwirtschaft hat zwei extrem harte Jahre hinter sich, insbesondere im freifinanzierten Neubau. Da haben wir Anpassungsreaktionen auf den Zinssprung gesehen. Beim Sozialen Wohnungsbau hingegen haben wir die Trendwende geschafft: allein im letzten Jahr 20 Prozent mehr Bewilligungen. Viele Prognoseinstitute sagen, die Talsohle ist durchschritten und spätestens ab dem nächsten Jahr wird die Branche wieder wachsen.

Als zentraler Grund für den Einbruch beim Wohnungsbau wird das Warten auf eine Senkung der Vorschriften genannt, damit es billiger und einfacher wird. Wann hat das Warten ein Ende?

Da haben wir gerade Leitlinien veröffentlicht, die genau das ansprechen: Es gibt sehr viele DIN-Normen, die oft nur aus Sorge erfüllt werden, bei Nichtanwendung einen Baumangel bescheinigt zu bekommen. Deswegen wird überall ein Mercedes hingebaut und kein Golf. Bauen nach Goldstandard macht es extrem teuer, ist aber nicht notwendig, weil Sicherheitsstandards beim Bauen immer und grundsätzlich eingehalten werden müssen. 

Also keine Mercedes-Häuser mehr?

Wer das will, kann das machen. Aber wer schneller und preiswerter bauen will, kann sich an unserem  Gebäudetyp E orientieren. Mit dieser einfacheren, aber guten Form des Bauens zeigen wir auf, von welchen Normen abgewichen werden kann, ohne Ärger mit dem Amt zu riskieren. Das gilt etwa für die Anzahl an Steckdosen, die kleine Zusatzheizung im Duschbad, um zwingend auf 24 Grad zu kommen oder die Trittschalldämmung. Da sind Abstriche möglich, ohne die Sicherheit zu gefährden. Das Bundesjustizministerium wird das Vertragsrecht entsprechend ändern, um die Abweichung von DIN-Normen rechtssicher zu gestalten. Das wird zu Entlastungen von zwei Milliarden Euro für die Wirtschaft führen und ist ein substanzieller Beitrag zur Überwindung der Bauflaute.

Leitlinien werden gegen die Krise nicht ausreichen. Wann kommt die ersehnte Novelle des Baugesetzbuches?

Die Länder- und Verbändeanhörung startet sehr bald. Ich plane damit, dass der Gesetzentwurf im September das Kabinett passiert. Mit den Änderungen soll mehr Bauland für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen, etwa durch das Bauen in zweiter Reihe. Häufig gibt es noch große Selbstversorgergärten, wo Familien für ihre Kinder und Enkel bauen können.  Und die Aufstockung von Gebäuden soll erleichtert werden, um Wohnraum durch Höhe zu schaffen. In der Bundesregierung kümmern wir uns um die Entschlackung des Baugesetzbuches. Aber auch die Länder sind gefragt, zum Beispiel durch Lockerung der Stellplatzsatzungen. Insbesondere Niedersachsen ist in dieser Richtung schon sehr aktiv.

Was ist mit den Energiestandards? Warum die sündhaft teuren Vorschriften, wenn ohnehin mit Wärmepumpe oder Geothermie CO2-frei geheizt werden muss?

So einfach ist es ja nicht. Eine Wärmepumpe arbeitet sparsamer, wenn das Haus energieeffizient ist. Und auf den besonders strengen Energiestandard EH40 haben wir verzichtet, weil der das Bauen deutlich teurer macht. Der Dämmstandard EH55 ist aber in der Bauszene akzeptiert. Dahinter werden wir nicht zurückgehen.

Während Familien in Städten kaum noch Wohnungen finden, gibt es jenseits der Metropolen einen grassierenden Leerstand…

So ist es, knapp zwei Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt zudem in Regionen, wo Wohnen bezahlbar ist. Aber in unseren Großstädten oder Metropolregionen herrscht ein riesiger Bedarf. Wir werden Ende des Jahres eine Strategie gegen den Leerstand vorlegen. Denn es ist auch viel umweltfreundlicher, vorhandene Häuser zu nutzen, statt neu zu bauen.

Wie sieht Ihre Anti-Leerstand-Strategie aus?

Wir suchen gerade mit der Wissenschaft und anderen Ressorts nach neuen Wegen, Menschen für die Nutzung von leerstehendem Wohnraum zu interessieren. Gerade in kleinen und mittelgroßen Städten ist das Potenzial groß, weil es da auch Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt. Es wird da viel schwarz-weiß gemalt, die Metropole wird gegen das fast verwaiste Dorf mit einer einzigen Bushaltestelle gestellt…

Ist die ÖPNV-Anbindung auf dem Land nicht tatsächlich vielerorts mangelhaft?

Klar ist, um Menschen zur Rückkehr in die Heimat oder zum Umzug aus der Großstadt ins Umland zu bewegen, braucht es dort genügend Züge und Busse, aber auch digitale Angebote. Es gibt Modellkommunen, die Co-Working und andere Angebote schaffen, die wir schon unterstützen. Aufgehen wird die Strategie nur, wenn das Leben jenseits der Metropolen nicht als Notfalllösung wahrgenommen wird. Oftmals waren Menschen gezwungen, zur Jobsuche ihre Gemeinde zu verlassen. Homeoffice und Digitalisierung bieten aber inzwischen ganz neue Möglichkeiten für das Leben und Arbeiten im ländlichen Raum. Und diese wollen wir stärken.

Wann kommt Ihre Strategie?

Wir stehen im Austausch mit vielen Kommunen, und es braucht ein ganzes Maßnahmenbündel. Im November sollten wir so weit sein.

Vom Bauen und Wohnen zur Landtagswahl: In Ihrem Bundesland Brandenburg liegt die AfD in Umfragen mit viereinhalb Punkten deutlich vor der SPD von Ministerpräsidenten Woidke. Liegt das womöglich auch daran, dass der Bund die Sorgen der Menschen – Migration, Wohnungsnot, Energieversorgung – nicht ernst genug genommen hat?

Nein, das sehe ich nicht so. Gerade die Energiekrise hat die Regierung sehr gut gemanagt, wir haben uns im Rekordtempo von Putins billigem Gas unabhängig gemacht, ohne die Industrie und damit Arbeitsplätze zu gefährden oder kalte Stuben zu produzieren. Aber ja, wir sind in einer Phase der Transformation, die gerade die Ostdeutschen mürbe macht, weil der Bedarf nach Veränderungen wirklich mehr als gedeckt ist. Das macht den Wahlkampf für uns nicht leicht.

Die Menschen fühlen sich nicht ausreichend wertgeschätzt. Das sagen viele Umfragen. Und Kanzler Olaf Scholz sagt auf seiner Sommer-PK: „Jeden Tag steht man unter Leuten, da fragt man sich, was der heute Morgen gegessen hat. Lasst die reden.“ Das dürfte das Gefühl der Wertschätzung nicht gerade steigern, oder?

Es ist auch mein Gefühl, dass viele Leute heute eine viel kürzere Lunte haben als früher und sehr viel schneller negativ reagieren. Ein Grund ist das Gefühl der Überlastung durch die rasanten Veränderungen. Finanzmarkt- und Eurokrise, Corona, Inflation, der Krieg in der Ukraine… Da ist viel Gelassenheit verloren gegangen. Es gehört zur Politik, dass man sich dem Ärger der Menschen stellt, zum Prellbock wird. Aber es gibt Grenzen. Persönliche Attacken, ob verbal oder körperlich, gehen einfach nicht. Wir müssen in der Demokratie unterschiedliche Meinungen aushalten, ohne gewalttätig zu werden.

Haben Sie als SPD-Vize noch einen Vorschlag, wie der Populismus von rechts und links kleinzukriegen ist?

In fast allen Landtagswahlen der vergangenen Jahre haben sich die Umfragewerte kurz vor dem Stichtag stark verändert. Warum? Weil erst dann die Frage wirklich in den Blick gerät, wer das Bundesland in den nächsten Jahren regieren soll. Ich bin daher sicher, dass wir am Wahlabend mit unserem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke feiern können, wieder stärkste Kraft geworden zu sein.



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